Gemeinschaftsgastro im Wandel – Videos & Eindrücke vom Event

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Gemeinschaftsgastronomie in London, Wien, Berlin – es gibt viele Gemeinsamkeiten zwischen den verschiedenen Ländern und Städten. Dennoch sind lokale Kontexte und Rahmenbedingungen für die Gemeinschaftsverpflegung essenziell.

Gemeinschaftsgastronomie im Wandel – Videos und Eindrücke vom Event

Am 17. Mai 2022 kamen viele Interessierte der Berliner Ernährungslandschaft in unserer Trainingsküche zusammen, um gemeinsam mit internationalen Expert*innen aus Landwirtschaft und Ernährungspolitik zu diskutieren, was die Gemeinschaftsgastronomie im internationalen Vergleich voneinander lernen kann und welche Rolle hierbei die Metropolregion Berlin-Brandenburg einnimmt. Etwa 30 Gäste verfolgten zunächst aufmerksam die digitalen Inputs von Thomas Mosor (Ökokauf Wien) und Ruth Westcott (Sustain / Food For Life) in der Trainingsküche und konnten anschließend einer anregenden Podiumsdiskussion zwischen Regine Berges (ehemals agrathaer), Beatrice Walthall  (FoodSHIFT 2030) und Ann-Christin Weber (SenUVMK) zuhören.

Fragen könnt ihr den Inputgeber*innen auf diesem Weg zwar nicht mehr stellen, aber dafür den Mitschnitt nachträglich als Video anschauen.

Thomas Mosor über ÖkoKauf Wien

Der Diplom-Ingenieur der Lebensmittel- und Biotechnologie unterstützte seit 1994 die Umweltschutzabteilung der Stadt Wien zunächst als Sachverständiger für Luftreinhaltung, später als Leiter verschiedener Programme. Seit mehr als zehn Jahren leitet Thomas Mosor nun schon ÖkoKauf Wien – das nachhaltige Beschaffungsprogramm der Stadt.

 

Ruth Westcott über Food for Life

Die Kampagnenleiterin für Climate and Nature Emergency ist seit sieben Jahren bei Sustain: the alliance for better food and farming. Sie setzt sich für nachhaltige Fischerei ein und dafür, dass Ernährungsfragen zentraler Bestandteil der Politik werden – zur Bekämpfung des Klima- und Naturnotstands auf lokaler und nationaler Ebene. In ihrem digitalen Input stellt sie insbesondere Food for Life vor – einem weiteren Programm von Soil Association, das gute Lebensmittel zu einer einfachen Wahl für alle macht und dafür ganzheitlich mit Schulen, Kindergärten, Krankenhäusern, Pflegeheimen und Caterern zusammenarbeitet.

 

 

Mit der Podiumsdiskussion und den anregenden Impulsvorträgen gab es reichlich Denkanstöße. Einige zentrale Themen des Abends haben wir hier für euch zusammengefasst:

Die Bedeutung der Gemeinschaftsgastronomie

  • Auf dem Podium wird erneut die Strahlkraft der Gemeinschaftsgastronomie deutlich. Die Gemeinschaftsgastronomie erlaubt es eine Systemperspektive einzunehmen, im Rahmen derer auch regionale Versorgung, regionale Landnutzung, Bildung und Gesundheit mitgedacht werden (müssen). Beatrice Walthall vom Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) betont an dieser Stelle, dass die Effekte der Gemeinschaftsgastronomie sichtbar würden, insbesondere im Vergleich zu Endverbraucher*innen als Konsument*innen.

Begleiter*innen des Wandels

  • Changemakers, Transformationsbegleiter oder Ernährungslotsen auf bezirklicher Ebene: sie haben andere Namen, aber ähnliche Ansätze. Für die Transformation der Gemeinschaftsgastronomie braucht es Menschen, die den Wandel aktiv und persönlich begleiten. Das Zusammenführen der zahlreichen bereits aktiven Initiativen und engagierten Perspektiven in einem Expert*innenrat wäre ein wichtiger Schritt zu mehr Austausch und Zusammenarbeit – ein solches Gremium wünscht sich auch Ann-Christin Weber (Ernährungsreferentin SenUVMK) für die Stadt Berlin.

Beschaffungskriterien sind von großer Bedeutung

  • Insbesondere mit Hinblick auf das Beschaffungsprogramm der Stadt Wien betont Regine Berges (ehemals agrathaer), wie wichtig die Einbindung verschiedener Akteur*innen in die Ausarbeitung von Beschaffungskriterien sei. Nur so könne gewährleistet werden, dass diese vom Markt auch erfüllt werden und gleichzeitig können sie den Markt herausfordern etwas zu ändern.

Zusammenarbeit mit Landwirt*innen

  • Die Nähe zu regionalen Landwirt*innen ist essenziell. Abnahmegarantien sind oft an Mengen geknüpft. Kleine Betriebe müssen mehr unterstützt werden, beispielsweise durch ein Pooling. Welche Herausforderung haben Produzent*innen und wie können diese in den Küchen und in der Politik berücksichtigt werden? Wie können Politikhorizont und Anbauhorizont für langfristige Lösungen aufeinander abgestimmt werden? Das sind auch Fragen aus dem Publikum. Ann-Christin Weber betont hier das Potenzial einer langfristigen Zusammenarbeit von Erzeuger*innen und Schulcaterern. Das auf den Zeitraum von vier Jahren ausgeschriebene Schulessen biete eine gute Grundlage für längere Beziehungen. Besonders hervorzuheben ist hier auch das Bildungsprojekt „Meinem Schulessen auf der Spur“, das Akteur*innen entlang der Wertschöpfungskette zusammenbringt, damit bio-regionale Lebensmittel in der Schulverpflegung landen.

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Nachhaltige Finanzierung

  • Viele Innovationen rentieren sich und sind langfristig wirtschaftlich. Deshalb bringt die Soziologin und Humangeografin Beatrice Walthall ein Transformationsbudget zur Sprache. Dieses könne als Anschubfinanzierung für Innovationen dienen, die dann zurückgezahlt werden könnten, wenn sich die innovativen Ideen zu stetigen und rentablen Projekten entwickelt haben. An dieser Stelle greift die Moderatorin des Abends Dinah Hoffmann das Finanzierungsmodell in England auf, im Zuge dessen etwa der Big Lottery Fund ernährungspolitische Projekte fördert und Ann-Christin Weber betont, dass Ernährung als Querschnittsthema aus ganz verschiedenen Fördertöpfen finanziert werden könne. Es braucht also personelles Know-how und verschiedene Finanzierungswege.

Bedeutung von Regionalität

  • Alle Podiumsteilnehmerinnen messen Regionalität einen hohen Stellenwert bei, obgleich sie betonen, dass dies kein Alleinstellungsmerkmal sei und im Kontext andere Systeme betrachtet werden müsse. In diesem Zusammenhang betont Beatrice Walthall die Bedeutung von Wertgemeinschaften und stellt das Konzept der Proximität vor, wie es etwa in Spanien Anwendung findet. Proximität schließe nicht nur die geografische, sondern auch die institutionelle oder soziale Nähe mit ein und ist damit ein vielversprechendes Konzept für erfolgreiche Zusammenarbeit

Wertschätzung

  • Es braucht mehr Sensibilisierung und Wertschätzung für die Gemeinschaftsgastronomie. Regine Berges gefällt hierbei vor allem auch das von Ruth Westcott vorgestellte Projekt, in dem Restaurantchefs, die Kantinen adoptieren, um die Wertschätzung für den Köch*innen-Beruf in der Kantine zu steigern.

Bestandsaufnahme und Qualitätsmanagement

  • Es ist wichtig, Standards und Routinen zu überdenken – das kostet nichts und kann dennoch große Wirkung entfalten. Beatrice Walthall verweist hier auf ein Krankenhaus aus der belgischen Stadt Ostende, wo neue Patienten automatisch Frühstück bekamen, aber nüchtern zur Operation mussten. Nach einer kritischen Überprüfung müssen die Patienten bei Ankunft nun danach fragen – und erhalten am Tag der OP nicht automatisch ein Frühstück. Die Ersparnisse sind immens.

 

Wie die Berliner Gemeinschaftsgastronomie im Jahr 2030 aussehen könnte

Mit dieser Frage endete unsere spannende Podiumsdiskussion. Die Antworten von Regine Berges, Beatrice Walthall und Ann-Christin Weber wollen wir euch an dieser Stelle selbstverständlich nicht vorenthalten.

Beatrice Walthall

„2030 gibt es ein gutes Zusammenspiel und eine bessere Abstimmung von Zeithorizonten zwischen Landwirt*innen und Politik. Auch 2030 soll nicht alles perfekt sein, sondern es soll immer noch Frage(stellungen) und Grenzen geben, um weiterzulernen und nicht stillzustehen.“

Regine Berges

„2030 gehen alle gerne in die Kantine – da das bunte und pflanzenbasierte Angebot von zufriedenen Mitarbeiter*innen zubereitet wird.“

„2030 hat die Kantine Zukunft für alle Berliner Einrichtungen der Gemeinschaftsgastronomie regionale Menüs und Rezepte entwickelt. Diese werden wiederum in die Ausschreibung Einzug erhalten, womit eine 100-Prozentige Abnahme von Schulen und Kitas erfolgt.“

Gemeinschaftsgastronomie im Wandel –wie geht´s weiter?

Was denkt ihr, wie sieht die Berliner Gemeinschaftsgastronomie 2023 aus? Bei all den offenen Fragen und Themenfeldern, wurde in den 2,5 Stunden allerdings auch klar: Berlin ist im europäischen Vergleich einer der Vorreiter auf ernährungspolitischer Ebene – nicht zuletzt mit den Lebensmittelpunkten /Food Hubs.

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